Theater Winkelwiese | fliegen/gehen/schwimmen
Wie kann ein Text mit soviel Theorie auf der Bühne zum Leben erweckt werden? Hannah Steffen setzt diesen mit einer einfühlsamen und einfallsreichen Regie gekonnt in Szene!
Zwischen den vier Figuren entwickelt sich ein Geflecht von unverbindlichen Momenten des Begehrens und brüchigen und ungefähren Vorstellungen einer möglichen Zukunft. „Ja, wir werden irgendwann mal so was wie eine Vergangenheit miteinander aufbauen, das spür ich so stark,“ sagt Helga zu Holger. Später fliegt sie mit ihm in einem Helikopter über die Steiermark. Die kleine Flucht dauert eine Flugstunde lang. Derweil kümmert sich Anke um Swayze – nicht ganz ohne Eigennutz.
Johannes Schrettle porträtiert in „fliegen / gehen / schwimmen“ eine Generation, die sich nach politischer Verbindlichkeit und Wirksamkeit sehnt, deren Politisierung und gesellschaftlicher Gestaltungswille jedoch im Unkonkreten und Flüchtigen verpufft: „Oder rausfahren. Wir könnten auch rausfahren irgendwohin, wo ein Bürgerkrieg oder eine Globalisierungsdemo oder so ist?“ Formulierungen dieser Art zeugen nicht nur von einer politischen Orientierungslosigkeit der Figuren. Sie sind auch das defensive und scheinbar gleichgültige Sprachmuster, in welche ihre tastenden Beziehungs- und Lebensversuche gefasst sind. Über den Status Quo ihrer krisenhaften Existenz kommen sie im Laufe der Handlung kaum hinaus. Ratlos sehnen sie sich nach gesellschaftlicher Verortung und finden kaum ein Mittel, ihre lähmende Antriebslosigkeit zu überwinden.
Die Regisseurin Hannah Steffen hat die junge Gruppe Friendly Fire Productions 2004 zusammen mit Christof Hetzer ins Leben gerufen. Zum ersten Mal realisiert sie mit dieser Formation eine Inszenierung am Theater Winkelwiese.
Inhaltlich gibt es manche Berührungspunkte zwischen Schrettles Theaterarbeit in Graz und den Anliegen von Friendly Fire Productions. Dazu sagt Hannah Steffen: „Überblicke ich das Umfeld meiner ungefähr gleichaltrigen Freunde und Bekannten, so lassen sich an unseren Biographien ähnliche Zäsuren und Untergliederungen feststellen. Unsere Jobs sind vielfältig, dazu abwechslungsreich oder gar aufregend und immer zeitlich begrenzt. Unsere sozialen Bindungen erstrecken sich in einem weitflächigen Netz, das wir mit allen uns verfügbaren Kommunikationsmitteln pflegen. Unser engster Freundeskreis hat sich im Laufe der Jahre über die vielversprechenden Städte Europas verteilt. Unsere Liebesbeziehungen dauern nicht an. Unsere Familien sind zum Grossteil durch mindestens eine Trennung in zwei oder gar mehrere Familien mit jeweils unterschiedlichen Wohnorten aufgesplittet. Nichts in unserem Leben ist von Bestand, alles unsicher, das meiste befristet.“