Takva
Takva, zu Deutsch Gottesfurcht, behandelt die Triade Gotteshingabe, Loyalität und Betrug. Eine Geschichte, die berührt und unter die Haut geht.
Synopsis: Muharrem (Erkan Can) führt ein überaus bescheidenes und frommes Angestelltendasein in einem traditionellen Quartier Istanbuls, dem Süleymaniye-Viertel. Er hält sich strikt an die islamischen Gebote, betet mehrmals täglich und übt sich in sexueller Enthaltsamkeit. Ein brillanter Geist ist er nicht, doch v.a. wegen seiner Hingabe betraut ihn der Führer und Meister (Meray Ülgen) eines mächtigen Sufi-Ordens mit der verantwortungsvollen (westlichen) Aufgabe: Er soll für die Dergah die Mieten der ordenseigenen Liegenschaften eintreiben. Muharrem wird dafür extra neu eingekleidet, mit Handy sowie Computer ausgestattet – und findet sich in einer Gesellschaft wieder, der er bislang erfolgreich aus dem Weg gegangen ist. Muharrem gerät zunehmend in einen Strudel von Heuchelei, Frivolität und Betrügereien. Als Folge seiner eigenen Bestürzung wird er selbst zum Tyrannen, entwickelt dabei eine zu stolze Unart und beteiligt sich ungewollt an gaunerischen Machenschaften. Die Konsequenz: Tags wie nachts quälen ihn groteske Bilder, denen er sich nicht entledigen kann. Sein zölibatärer Lebensstil wird je länger je mehr auf Probe gestellt. Die während Jahrzehnten gelebte Balance zwischen andächtiger Existenz und weltlicher Verlockung gerät zusehends aus dem Gleichgewicht. Die Angst vor dem Versagen macht Muharrem anfällig, eigenartig, unberechenbar und die Furcht vor der Strafe Gottes rüttelt vehement an seiner psychischen Gesundheit.
Kritik: An zahlreichen Festivals heimste der türkisch-deutsche Film Preise ein – so beispielsweise im letzten Jahr in Toronto am International Film Festival oder an der diesjährigen Berlinale. Takva, zu Deutsch Gottesfurcht, behandelt die Triade Gotteshingabe, Loyalität und Betrug mit einer Geschichte, die berührt, ja gar unter die Haut geht. Die authentischen Bilder untermauern die Charakteristiken der überaus servilen Protagonisten eindrücklich und die immer wieder vorkommenden religiösen Rituale (z.B. das Dhikr, die wichtigste Form der Meditation) entwickeln zuweilen eine fast hypnotische Wirkung. Die durchgehend religiösen Dialoge versprühen überaus Charme. Zudem wird Muharrems zerstörerische Metamorphose die ganze Zeit über packend und interessant auf den Bildschirm gezaubert und in des Zuschauers Gedächtnis gebrannt. Mit Takva wird dem westlichen Beobachter die Tür zu einer ziemlich fremden Kultur geöffnet und damit das islamistische Wertesystem nähergebracht.
Bonusinfo: Das Süleymaniye-Viertel war eines der bedeutendsten kulturellen und kommerziellen Zentren der ottomanischen Periode (Dynastie der Osmanen). Es wurde gleich nach der Eroberung Instanbuls durch türkische Muslime in direkter Nachbarschaft zum ottomanischen Palast erbaut. Seit den 80er Jahren hat es sich v.a. zu einem Viertel für Immigranten aus dem Osten entwickelt.