Kino | Fish Tank
Ein bemerkenswertes Coming-Of-Age Drama, das einen intensiven Einblick in eine Weilt voller Tristesse und Hoffnung zugleich bietet.
Synopsis: Mia (Katie Jarvis) ist fünfzehn und lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter (Kierston Wareing) und ihrer vorlauten Schwester Tyler (Rebecca Griffith) in einem englischen Provinznest. Sie hat das triste Leben und den Alltag in der von grauen Industriefassaden geprägten Stadt satt – aus Frust betrinkt sie sich oder lässt ihrer Wut freien Lauf, indem sie zuschlägt. Als sie auch noch von der Schule fliegt, scheint einzig ihre Begeisterung für das Tanzen der letzte kleine Lichtblick zu sein. Als ihre Mutter eines Tages den attraktiven Connor (Michael Fassbender) mit nach Hause bringt, kehrt Abwechslung in das Leben der Familie. Er beschäftigt sich mit Mia, unterstützt ihren Traum, Tänzerin zu werden – und gewinnt damit ihr Vertrauen. Bald jedoch sieht Mia in Connor weit mehr als nur einen Ersatzvater. Stars: Katie Jarvis gelingt mit der Rolle von Mia ein grandioses Debüt als Schauspielerin, das ihr bereits den Preis als beste Darstellerin in Edinburgh bescherte. Zusammen mit Michael Fassbenders ausgezeichneter Darstellung des geheimnisvollen Fremden und einfühlsamen Vorbildes, ergibt sich ein realistischer Einblick in eine Beziehung, die einen dramatischen Verlauf nimmt. Regie & Crew: Die Auszeichnung mit dem Preis der Jury in Cannes 2009 spricht für sich: Andrea Arnold, die 2004 mit einem Kurzfilm bereits den Oscar gewann, gelingt mit «Fish Tank» ein bemerkenswertes Drama. Dabei setzt sie den ungeschminkten und klaren Realismus fort, der bereits ihr ebenfalls ausgezeichnetes Debut «Red Road» (2006) prägte.
art-tv-Wertung: «Fish Tank» fasziniert den Zuschauer, weil es eben keines dieser krassen Sozialdramen ist, in denen sich die schrecklichen Ereignisse nur so überschlagen und man die Schwere des Lebens buchstäblich fühlen kann. Nein, Arnold’s Film fordert den Zuschauer auf eine subtilere Weise. Sie zeigt keine Schicksalsschläge, sondern die unerträgliche Alltäglichkeit in der Unterschicht Großbritanniens. Das fade Einerlei in Mia’s Leben koresspondiert mit der trostlosen Monotonie der verfallenen Industrieanlagen und dem gleichförmigen Gang der Gescheiterten im Viertel. «Fish Tank» zeigt aber auch die Geschichte eines Mädchens, das nie geliebt wurde – und beim Versuch Liebe zu finden nicht aufgefangen wird und abstürzt. Eine Heranwachsende, die schließlich denjenigen findet, der Liebe zu geben hat – die aber sofort überwältigt wird von einer verwirrenden Diskrepanz zwischen der geschlechtlichen Liebe und jener zwischen Tochter und Vater. «Fish Tank» prägt sich weniger durch eine überwältigende Story ein (es passiert nicht wirklich viel), sondern vielmehr durch grandiose schauspielerische Hingabe. Das zieht sich alles oft auch sehr in die Länge, aber das muss wohl so sein. Schließlich hat die Realität auch so ihre Längen. Fazit: Ein wirklich äußerst gut gespieltes Drama mit britischem Humor inklusive.
Maximilian Haase