Kino | Welcome
Für eine Wiedervereinigung mit seiner grossen Liebe versucht ein junger Flüchtling aus Kurdistan über den Ärmelkanal an die englische Küste zu schwimmen.
Synopsis: Der 17-jährige Bilal (Firat Ayverdi) aus Kurdistan ist einer von vielen Flüchtlingen, die vor der Grenze in der Kanalstadt Calais abgefangen werden. Doch Bilal möchte um jeden Preis seine Freundin in England wiedersehen. Beim Franzosen Simon (Vincent Lindon), einem tristen Schwimmlehrer, findet er Unterschlupf. Um für eine riskante Flucht über den Ärmelkanal gerüstet zu sein, trainiert Simon den jungen Kurden im Kraulen. Die Selbstlosigkeit Bilals, der für die grosse Liebe sein Leben aufs Spiel setzt, fasziniert den geknickten Simon zutiefst. Allerdings bringt er mit seiner Hilfe nicht nur Bilal, sondern auch sich selbst in Gefahr. Stars: Für die Schlüsselrolle des mürrischen Schwimmlehrers wurde der bekannte französische Schauspieler, Vincent Lindon gewählt, der diesen glaubhaft verkörpert. Regie & Crew: Der französische Regisseur und Drehbuchautor Philippe Lioret («Je vais bien, ne t’en fais pas», 2006) wollte mit «Welcome» einen Film zur aktuellen Thematik der Flüchtlingssituation in Calais liefern und sich insbesondere auf die persönlichen Geschichten und Gefühle der involvierten Figuren beziehen. Für «Welcome» erhielt er an der diesjährigen Berlinale den Panorama-Preis der Ökonomischen Jury.
art-tv-Wertung: «Welcome» zeigt mit Verzicht auf überflüssige Rührseligkeiten den zähen Kampf eines Flüchtlings, der sich in einer fremden Welt durchschlagen muss. Der Film suggeriert keine falsche Hoffnung und kritisiert die politischen Massnahmen, die gegenüber unzähligen Flüchtlingen ergriffen werden. Mit der Intention, unverblümt die vorherrschende Situation in Calais wiederzugeben, liegt Regisseur Lioret goldrichtig. So kann Simon der Fussmatte seines Nachbarn, der ihn wegen illegaler Beherbergung an die Polizei verpfeifen will, mit der Aufschrift «Welcome» auch nicht mehr als ein müdes Lächeln abgewinnen. Feinfühlig wird die Figur des geschiedenen Schwimmlehrers porträtiert, der im Verlaufe der Geschichte eine persönliche Wandlung durchlebt: Bald besiegt das Gefühl für Gerechtigkeit und die Anteilnahme am Schicksal des Flüchtlings den vorerst eigennützigen Gedanken, durch die Hilfsaktion die sozial engagierte Exfrau zurückzugewinnen. Diese innere Transformation des Protagonisten wird hervorragend von Vincent Lindon nach aussen getragen. Fazit: Ein ergreifender Film, der auf unverhohlene Art die gegenwärtige und aussichtslose Flüchtlingspolitik in Calais aufrüttelt.
Martina Felber