Kino | Nine
Glimmer, Glanz und ein überarbeitetes Genie – soviel Sympathie Guido (Daniel Day-Lewis) auch auslöst; so plakativ und effekthaschend präsentiert sich das neue Drama-Musical über einen Regisseur in der Schaffenskrise.
Synopsis: Guido ist ein weltberühmter, italienischer Regisseur in der Krise: ein neuer Film steht kurz vor den Dreharbeiten, und das Drehbuch existiert noch nicht. Guido versucht sich wiederholt aus Meetings, Presseterminen etc. wegzuschleichen – er braucht eine Erholung! Seine Phantasien von möglichen Filmausschnitten sind belebt von aufreizenden jungen Tänzerinnen im Stil des Folie-Bergères, und sie alle wollen nur «Guido»! Als Liebhaberin (Penélope Cruz), Ehefrau (Marion Cotillard) und die ganze Filmcrew ihn in seinem Refugium aufspüren, verliert Guido vollständig die Kontrolle über Leben und Film. Stars: Daniel Day-Lewis («There Will Be Blood» 2007) überzeugt in der Rolle von Guido, auch wenn gewisse Attitüden aufgesetzt wirken. Cotillard («La vie en rose» 2007) als Ehefrau wirkt als gesunder Gegenpol zum farbenfrohen Zirkus ihres Mannes. Regie & Crew: Rob Marshall («Chicago» 2002) hat sich hier an einen schwierigen, etwas verstaubten Stoff gewagt – es ist schwer dem Film «8 ½» von Fellini das Wasser zu reichen.
art-tv-Wertung: Es ist ein gewisser Reiz dabei, die Phantasiewelten des Altmeisters Fellini aufleben zu lassen – ganz im Sinne Marshalls Musicalfilmen natürlich; doch kann nicht auch ein Musicalfilm ein bisschen mehr sein als pompöser Abklatsch und Showakrobatik? Klar, das Thema ist intelligent und menschlich: der überarbeitete, träumende Regisseur, der in seine Phantasien flüchtet und die Verantwortung der realen Welt nicht wahrnehmen kann. Nur: es gibt schon Fellinis «8 ½» und andere Filme über genau dieses Dilemma! Abgesehen von guter Schauspielarbeit, solider Inszenierung und schöner Kameraarbeit ist dieses Musical-Drama, das sich an Fellinis Krisenwerk anlehnt, relativ hohl. Darüber können auch die zauberhaften Diven nicht hinwegtäuschen. Der beste Satz, der gleichzeitig auf diese filmische Arbeit zutrifft, fällt der Ehefrau Luisa zu: «Du hast alles von mir genommen, ich bin leer.» Fazit: Ist Rob Marshall in einer Schaffenskrise? Es gab vielleicht keinen originelleren Ausweg, anstatt Fellinis «8 ½» aufgedonnert in eine 9 zu verwandeln. Naja.
Isabel Rohr