Kino | Videocracy
Silvio Berlusconi ist gleichzeitig Ministerpräsident und Medienmogul: in Italien lenkt das Fernsehen die Massen und vermittelt eine Welt der Reichen, Schönen und Mächtigen.
Synopsis: Ricky will als Mischung aus Van Damme und Ricky Martin ins Fernsehen – dafür trainiert er jetzt seit 12 Jahren Karate und geht zu TV-Castings. Doch das Fernsehen in Italien gehört leicht bekleideten Frauen und der Prominenz. Berlusconi lenkt seinen Staat mit einer Verfilzung von Politik und Fernsehprominenz. Er weiss geschickt auch seine Gegenspieler zu integrieren – sie mit Geld und Macht abzuspeisen. So präsentiert sich seine Medienpräsenz als perfekte Märchenfabrik mit Prinzen, Königen, Robin Hoods und viel weiblichem Fleisch. Regie & Crew: Erik Gandini («GITMO – The New Rules of War» 2004-5) ist ein bekannter schwedischer Dokumentarfilmer mit italienischen Wurzeln. Mit «Videocracy» will er zeigen, was das Fernsehen für die Italiener bedeutet und welche Macht damit verbunden ist.
art-tv-Wertung: «Videocracy» dringt ein ins Herz des italienischen Fernseh-Monstrums – Berlusconis stärkstes Machtmittel. Berlusconis Vision bestimmt das Medium: das sind vollbusige, leicht bekleidete Frauen, machoide Muskelpaket-Männer, fein gekleidete ältere Herren in Super-Villen an der Costa Smeralda und ein sonniges Italien ohne Probleme. Alles ist getimt auf seine politischen Ansprachen – der Rest ist Werbung und Aufmerksamkeitshascherei. Für die Italiener bedeutet das Fernsehen Geld, Macht und Unsterblichkeit. Während «Videocracy» Berlusconis perfekter Werbeinstutition, welche an Nazipropaganda-Zeiten erinnert, auf den Zahn fühlt, gewährt der Film der berüchtigten Prominenz noch mehr Leinwandpräsenz; ein Faktum, das vielleicht schwer umgänglich ist. Als kritischer Dokumentarfilm ist «Videocracy» sehr ernst und könnte mit einem Schritt Richtung schnittigem, satirischen Humor an Durchschlagkraft zulegen. Es gibt zwar die Ironie, die aus der Diskrepanz zwischen Bild und Realität spricht, doch das bleibt recht brav. Nichtsdestotrotz ist der Film sehenswert und informativ. Fazit: Erik Gandini gewährt einen aufklärenden Blick in Berlusconis Fernsehimperium und zeigt, wie die Welt der Schönen und Reichen den Massen in Italien den Kopf verdreht.
Isabel Rohr