Kino | Une petite zone de turbulence
«Une petite zone de turbulence» gibt auf genial zynische, aber gleichermassen ernste und humorvolle Weise die Krise in der guten Familie wieder.
Synopsis: Der Rentner Jean-Paul (Michel Blanc) ist ein Hypochonder und lebt mit seiner Frau Anne (Miou-Miou) in einer riesigen Villa. Eines Tages entdeckt er einen Fleck über seiner Hüfte, und obwohl der Arzt ihm erklärt, das sei ein Ekzem, glaubt er fest, er habe Hautkrebs und müsse bald sterben. In der guten Familie läuft indessen einiges schief: die Tochter Cathy(Mélanie Doutey) will sich zum zweiten Mal mit einem «Vollidioten» (Gilles Lellouche) verheiraten, der Sohn Mathieu (Cyril Descours) kämpft um die Akzeptanz seiner Homosexualität in der Familie und Anne trifft einen anderen Mann, der mit ihr leben will – die Eskalation ist vorprogrammiert! Stars: Michel Blanc («La fille du RER» 2007), ein alter Hase des französischen Kinos, begeistert mit seiner genialen Darstellung eines Hypochonders und Miou-Miou («Mia et le Migou» 2008), ebenfalls eine Leinwandgrösse Frankreichs, hält ihm die Waagschale. Regie & Crew: Der Regisseur Alfred Lot («La chambre des morts» 2007) bringt mit «Une petite zone de turbulence» ein bewegendes und amüsierendes Stück Gesellschaftskritik in die Kinos.
art-tv-Wertung: Basierend auf den zwei Romanen «A Spot Of Bother» (Mark Haddon) und «Une situation légèrement délicate» kreiert Drehbuchautor und Regisseur Alfred Lot eine wundersam zynische Komödie, die ernsthaft böse Kritik am «heilen» Familienideal der Bourgeoisie übt. Der Stein des Anstosses, oder konkret: der störende Fleck auf der Haut verweist vielmehr auf eine innere Unruhe und Zweifel am gewählten Lebensmodell, sowie auf die Angst vor dem Ungewissen – somit auch vor dem Tod. Bezeichnend ist die geistreiche Bemerkung des «minder intelligenten» Zukünftigen von Cathy, der meint, Jean-Paul sei wohl noch der Normalste der Familie. Zumindest brechen dessen Zweifel und Emotionen durch die schöne Oberfläche, während seine Frau die Doppelrolle von Geliebter und Ehefrau spielt, ohne dabei zuviel Skrupel zu empfinden. Während die Ernsthaftigkeit der Kritik direkt trifft, kommt der Zuschauer durch Michel Blancs herrliches Spiel, die entstehende Situationskomik und durch die gesalzenen Dialoge wiederholt zum Lachen. Fazit: Eine bitterböse, witzige Komödie, die einem Frontalangriff auf die Schauspieler des Stücks «Heile Welt» gleichkommt.
Isabel Rohr