Kino | Somewhere
Sophia Coppolas Filmschaffen wird um ein Werk bereichert. In einem persönlichen Film inszeniert sie die Beziehung eines den Fängen Hollywoods ausgelieferten Filmstars zu dessen Tochter.
Synopsis: Johnny Marco (Stephen Dorff) steht als Schauspieler hoch im Kurs. Geht es um sein privates Leben, so hat er eine ziellose Route eingeschlagen. Mit flüchtigen Liebschaften und schnellen Autos schlägt er sich die Zeit tot oder versumpft in seinem Sofa im Hotel Chateau Marmont, in dem er sich auf unbestimmte Zeit eingenistet hat. Nur die gemeinsamen Stunden mit seiner 11-jährigen Tochter Cleo (Elle Fanning) aus gescheiterter Beziehung reissen ihn hin und wieder aus seinem exzessiven Dasein. Als die Mutter unerwartet verreist um ihren eigenen Problemen nachzugehen, sieht sich der Hollywood-Beau auf einen Schlag gezwungen, für mehrere Wochen die volle Verantwortung für Cleo zu übernehmen. Stars: Elle Fanning hat mit ihren 11 Jahren schon in über 30 Film- und TV-Produktionen mitgewirkt und beweist in «Somewhere», dass sie über genauso viel Talent wie ihre berühmte Schwester Dakota verfügt. Die Chemie zwischen Filmvater Stephen Dorff («Blade», 1998) und ihr stimmt. Regie & Crew: Mit «Somewhere» liefert Sophia Coppola («Lost in Translation», 2003) einen intimen Film. Ihr Gespür für das aufs Wesentliche reduzierte Stories zahlte sich an den diesjährigen Filmfestspielen in Venedig aus, als sie den Goldenen Löwen erhielt.
art-tv-Wertung: Bei «Somewhere» wartet man vergeblich auf den grossen Knall, der den Helden aus der routinierten Passivität werfen könnte, auch wenn der überraschende Dauerbesuch der Tochter freilich dazu intendiert. Ein paar eingängige Blicke ihrerseits müssen genügen, um den Lebensstil ihres Vaters zu kommentieren, den die eigentlich Vernunftbegabte lautlos akzeptiert. Der Entwicklungsprozess von Johnny vollzieht sich deshalb nur schleppend. Die gemeinsame Zeit mit Cleo führt dem Celebrity langsam vor Augen, wie ausgefüllt sein Alltag sein kann. Stille und beinahe tote Momentaufnahmen, die das Vorwärtsschreiten der Geschichte aufzuhalten drohen, entladen sich in intensiven Filmbildern, die der perfiden Wahrheit enorm nahe kommen. Etwa wenn sich Johnny für eine Rolle einen Gipsabdruck anfertigen lassen soll. Für mehrere Sekunden verweilt die Kamera auf dem verkleisterten Haupt – Johnny als tonloses Requisit der Hollywoodfabrik. Fesselnd, wie glaubhaft Coppola mit der zurückhaltenden Herangehensweise die familiäre Geschichte im goldenen Käfig Los Angeles widerspiegelt. Fazit: Mit ruhiger Handschrift skizziert Coppola eine aufkeimende Vater-Tochter Beziehung, frei nach dem Credo: Weniger ist mehr.
Martina Felber