Kino | Anonymous
Roland Emmerich überrascht mit seinem neuen Film «Anonymous» in vielerlei Hinsicht, nicht zuletzt mit der provokanten These, dass der Meister William Shakespeare eigentlich ein ganz anderer war…
Zum Film Angesiedelt in der politischen Schlangengrube des elisabethanischen England, spekuliert «Anonymous» über eine Frage, die schon seit vielen Jahrhunderten zahlreiche Wissenschaftler und kluge Köpfe von Mark Twain und Charles Dickens bis hin zu Henry James und Sigmund Freud beschäftigt hat, nämlich: Wer war der Autor der Stücke, die William Shakespeare zugeschrieben werden? Zahlreiche Experten haben darüber diskutiert, Bücher wurden geschrieben, und Gelehrte haben ihr ganzes Leben der Aufgabe gewidmet, die Theorien, die die Autorenschaft der berühmtesten Werke der englischen Literatur umgeben, zu bewahren oder zu zerstreuen. «Anonymous» gibt eine mögliche Antwort und konzentriert sich dabei auf eine Zeit, als sich politische Intrigen, verbotene Romanzen am Königlichen Hof und die Machenschaften habgieriger Aristokraten, die die Macht des Throns an sich reissen wollten, an einem der ungewöhnlichsten Orte widerspiegelten: der Londoner Bühne.
art-tv-Wertung: Zweifel an der Autorenschaft Shakespeares sind keine mutige Neuentdeckung. Die Debatte um die Urheberschaft der Werke von Shakespeare begann bereits vor mehr als 100 Jahren. Umso erstaunlicher jedoch, dass sich bisher noch niemand dem Thema für einen Film angenommen hat. Dass Roland Emmerich der bisher als Regisseur vor allem bekannt war für epische Blockbuster wie Independence Day (1996), The Day After Tomorrow (2004) oder 2012 (2009) – sich als neues Filmprojekt ausgerechnet eine Geschichte aussuchen würde, die im elisabethanischen England spielt, überrascht zunächst. Doch der Schwabe beweist hier nicht zum ersten Mal den richtigen Riecher für großartigen Filmstoff: Mord, Sex, Lügen und Verrat – das sind auch die Zutaten der Shakespearedramen. Aus dem ursprünglichen Drehbuch von John Orloff wird in ANONYMOUS dann allerdings eine wilde und temporeiche Fahrt auf zuvielen, immer wieder wechselnden Zeitebenen, sodass man sich hie und da im Geschehen verlieren kann. Das in Deutschland in den Babelsberger Studios gedrehte und mit vielen Spezialeffekten ausgestattete Historiendrama überzeugt mehr durch eine imposante Bildsprache und Ausstattung. Besonders gelungen ist Emmerich auch das Schauspielerensemble, allen voran die Besetzung von Rhys Ifans als Edward de Vere, der Earl von Oxford und an seiner Seite Vanessa Redgrave als Queen Elisabeth und liebeslüsternes Weib. Insgesamt wird man prima unterhalten!