Moods ZH | Vein
Haben es Einzelkinder schwerer im Jazz? Bei Florian und Michael Arbenz jedenfalls hat es Früchte getragen, dass sie Brüder sind. Mit Vein eröffnen sie die Saison im Moods.
Wer Jazz liebt, wird kaum erwarten, dass sich ein Jazztrio ganz von der Tradition löst. So prägend der genetische Bezug bei Vein aber auch ist, so einzigartig und vielfältig ist der Spielraum für Neues. Das Fundament prägt nicht, es inspiriert. Dem Puls der drei Musiker spürt man deutlich an, dass auch andere Musikrichtungen – von klassisch bis elektronisch – in ihren Adern fliessen. Dieses Gemisch strömt frei durch alle drei Klangkörper, ohne den Bezug zum Ursprung zu verlieren. Das Konzept des Trios, verschiedene Einflüsse miteinander zu verweben und der Jazztradition gegenüber zu stellen, geht voll auf.
Viele Jahre schon stellen die Basler Jazzmusiker – Michael als Pianist, Florian als Drummer – musikalische Projekte auf die Beine, bei denen man merkt: Das ist nicht Flickwerk und rasch zusammengeschustert, nein, hier handelt es sich um blindes Einvernehmen. Haben die beiden schon im Kinderzimmer, als andere noch mit ihren Klötzchen gespielt haben, gemeinsam gejazzt? Monk statt Märklin sozusagen.
Auch die neue CD «Outstage» von Arbenz & Arbenz mit ihrem Trio namens Vein (mit Thomas Lähns, Kontrabass) legt den Schluss nahe, dass die Brüder ihre Köpfe heute noch oft zusammenstecken. Klaviertrios im Jazz, muss man ja sagen, sind keine gefährdete Spezies; sie sind etwa so häufig wie Tauben vor dem Mailänder Dom. Doch auf Vein möchte man nicht verzichten. Die machen ein eigenes Ding! Disparat sind ihre musikalischen Materialien, und disparat ist hier so zu übersetzen: Man weiss nie, was einen um die nächste Ecke erwartet. «Ligeti Eats Spaghetti», das erste Stück auf «Outstage», ist eine in die Moderne gehievte Kreuzung aus Dixieland und monkschem Thema: Spitzbübisch greift dabei Michael Arbenz in die Tasten, zupft auf einmal Banjo-artig klingende Saiten im Flügel-Innenraum. Gegen Ende verdichtet sich alles, man versteht die Anspielung auf den E-Komponisten Györgi Ligeti.
Bald danach ertönt ein elegisches Stück, «Transubstantiation»: Über allen Tasten ist Ruh’, ein ambientales Gebilde, das man glatt in Brian Enos Muzak-Ambient «Music for Airports» hineinschmuggeln könnte. Gleich darauf wird das Trio wieder zur rotierenden Groovemaschinerie. Vieles ist von grösster Fulminanz bei Vein. Und mag dieses Trio einem vielleicht auf die Länge etwas technisch vorkommen: Feuerwerke werden hier allemal gezündet, weniger solistisch als vielmehr dort, wo gerade Bruderschaft nötig ist – dann, wenn komplexe und rhythmisch raffinierte Passagen gemeinsam und präzis exekutiert werden. Ja, exekutiert: Das ist das richtige Wort. Das kommt wie aus der Pistole geschossen.
Möglich ist das nur deshalb, weil in diesem Trio keiner den anderen dominiert. Der Pianist ist nicht Jazz-Maestro, der die Sätze magistral baut, und der Kontrabassist und Drummer dürfen dann allenfalls noch Satzzeichen spielen. Michael und Florian Arbenz harmonieren perfekt; auch Thomas Lähns gehört dazu. Fast eine Familie.
Von Christoph Merki